Aberkennung des Doktorgrades von Richard Coudenhove-Kalergi durch die Nationalsozialisten

von Univ.-Prof. Mag. Dr. Anita Ziegerhofer, Universität Graz Auf Grund der mehrfachen Aktualität zu diesem Thema sei daran erinnert, dass vor 80 Jahren der Begründer von Paneuropa auch akademisch gemaßregelt wurde. Gleichzeitig können wir heute seines 129jährigen Geburtstages gedenken. Im März 1967 erschien in der „Zeitschrift für Freiheit, Recht und Demokratie – der neue Mahnruf“ ein Artikel mit der Überschrift „Uni-Handlangerdienste für die SS“. Darin wird darauf hingewiesen, dass Stefan Zweig von einem Ausschuss der Wiener Universität drei Monate nach dessen Selbstmord am 22. Mai 1942 der akademische Titel aberkannt wurde. Neben Stefan Zweig finden auch Martin Buber, Egon Wellesz und der „Vater des Paneuropa-Gedankens“ Richard Coudenhove-Kalergi Erwähnung. Letzterer hatte am 28. Juni 1917 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien promoviert, wo er 1913/14 als ordentlicher Hörer die Fächer Geschichte und Philosophie inskribierte. Coudenhove-Kalergis Dissertation über „Die Objektivität als Grundprinzip der Moral“ wurde Anfang Juni 1917 von Univ.-Prof. Dr. Alfons Dopsch approbiert. Coudenhove-Kalergi promovierte mit Auszeichnung. Am 22. Juli 1943, also vor 80 Jahren, wurde ihm aus rassistischen Gründen der Doktortitel aberkannt. Coudenhove-Kalergi galt im Nationalsozialismus als „eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig“. Basierend auf der Verordnung über die Aberkennung der Staatsangehörigkeit des Protektorats Böhmen und Mähren - Richard Coudenhove-Kalergi war ja nach dem Ende des Ersten Weltkrieges tschechoslowakischer Staatsbürger geworden - erhielt die Universität Wien bereits 1941 die Mitteilung, dass gegen den „Mischling Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi, geboren am 16. 11. 1894 in Tokio/Japan, letzter inländischer Wohnsitz: Wien I., Grashofgasse 3, jetziger Aufenthalt, Amerika“ das Aberkennungsverfahren eingeleitet wurde. Zum damaligen Zeitpunkt war Richard Coudenhove-Kalergi bereits im New Yorker Exil, wo er ab 1942 am Research Center for European Federation an der New York University tätig war und 1944 den Status eines Visiting Professors innehatte. 1946 erfolgte Coudenhove-Kalergis Rückkehr nach Europa und erst neun Jahre später die „Wiedergutmachung“: Am Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrages, am 15. Mai 1955, erfolgte die Erklärung, dass die Aberkennung seines akademischen Grades „von Anfang an nichtig“ war und somit der Doktorgrad wieder zuerkannt wurde. Die Universität Wien finanzierte 2004 ein Forschungsprojekt unter der Leitung des Zeithistorikers Friedrich Stadler, das sich mit der Aberkennung und Wiederverleihung akademischer Grade im 20. Jahrhundert auseinandersetzte. Den Eintrag zu Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi findet man im digitalen „Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938“. Die in der eingangs erwähnten Zeitung geforderte feierliche Promotion der Wiederverleihung der aberkannten Grade oder Verleihung einer besonderen Promotionsurkunde als Zeichen der Wiedergutmachung fand nicht dergestalt statt, sondern in Form einer würdigen Gedenkveranstaltung am 31. März 2004 im Kleinen Festsaal der Alma Mater Rudolfina. Quellen: Anita Ziegerhofer-Prettenthaler, Botschafter Europas. Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi und die Paneuropa-Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren, Wien 2004Reichsgesetzblatt Teil 1, Nr.199, Berlin 9.10.1939 darin Verordnung vom 3.10.1939 über die Aberkennung der Staatsangehörigkeit des Protektorats Böhmen und Mähren, Seite 1997. Uni-Handlangerdienste für die SS, in: der neue Mahnruf. Zeitschrift für Freiheit, Recht und Demokratie, März 1967 Mein Dank gilt Hofrat Mag. Thomas Maisel, Leiter des Archivs der Universität Wien, für seine Unterstützung.

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