Tunesien verdient europäisches Vertrauen als wirtschaftlicher Brückenkopf in Afrika
In Tunesien starteten 2010
die Proteste für mehr Demokratie und Gerechtigkeit in der arabischen Welt. Nach
vier Jahren hat diese Protestwelle zumeist kaum Verbesserungen, sondern im
Gegenteil in manchen dieser Länder sogar chaotische Verhältnisse geschaffen.
Tunesien zeigt jedoch immer
deutlicher, dass dieses Land den Weg zu einer modernen Demokratie Schritt für
Schritt einzuschlagen bereit ist. Die demokratischen Wahlen verlaufen
kontrolliert und vorbei dürften die extremen Ausritte in Richtung intoleranter
islamistischer Vorstellungen sein. Das relativ hohe Bildungsniveau der
Bevölkerung mit einem Überhang
weiblicher Universitätsabsolventen wie in vielen westlichen Staaten und
ein breit gestreutes Privateigentum mit Hausbesitz hebt sich strukturell
entscheidend von anderen muslimischen Ländern ab.
Das große Zukunftsrisiko Tunesiens
für die demokratische Fortentwicklung muss in der Wirtschaft gesehen werden.
Die vergangenen turbulenten Jahre haben viele Auslandinvestoren veranlasst,
ihre Aktivitäten in politisch stabilere Niedriglohnländer und vor allem nach
Asien zu verlegen. Die größeren tunesischen Wirtschaftseinheiten hatten auch
wegen zahlreicher Arbeiterproteste Effizienz- und Gewinneinbrüche. Auch der
wichtige Tourismus hat gelitten und heute fehlt es an Erneuerungsinvestitionen.
Die Hauptbedrohung der jungen neuen Demokratie lautet Mangel an sowohl
qualifizierten als auch einfacheren Arbeitsmöglichkeiten.
Die Europäische Union und
europäische Firmen sollten zur Kenntnis nehmen, dass Tunesien mit einem auch
nach europäischen Standards gut ausgebildeten Arbeitskräftepotential
hervorragende Kooperations- und Entwicklungsmöglichkeiten bietet.
Die Transportwege sind im
Vergleich zu Asien relativ kurz und die Ausstrahlung in andere instabile
afrikanische Länder ist gegeben. Tunesien als Brückenkopf für Geschäfte mit den
bevölkerungsmäßig explodierenden afrikanischen Märkten bietet sich an.
Europa könnte damit
gleichzeitig dazu beitragen, die tunesische Demokratie zu festigen. Es könnte
aber auch auf diese Weise den afrikanischen Wirtschaftsflüchtlingen schon auf
dem afrikanischen Kontinent selbst eine arbeitsmäßige Zukunftsperspektive
geboten werden. Von Tunesien aus könnte
die EU den Flüchtlingsansturm in die Union direkt in einem wichtigen
Migrationsausgangsland durch Wirtschaftsprojekte im Rahmen der mediterranen EU-Initiative
zurückdrängen.
Vor fast einem Jahrhundert
hat Richard Coudenhove-Kalergi schon globale Wirtschaftsmachtblöcke
vorausgesagt. Die EU ist in vieler Beziehung und vor allem im Sozialen weltweit
am weitesten entwickelt und damit für Immigranten besonders attraktiv. Dieser Situation ist das gewaltige
europäische Immigrationsproblem zuzuschreiben, dessen Lösung zu den wichtigen
EU-Herausforderungen zählt und wofür im beschriebenen Fall die mediterrane
EU-Initiative einen Rahmen abgeben könnte. Tunesien würde sich für einen
Einstieg in ein diesbezügliches Lösungsmodell ausgezeichnet eignen.
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