DER WIENER KONGRESS, Grundstein des modernen Europa


von Jean-Noél Grandhomme, Professor für Zeitgeschichte der Universität Lorraine, publiziert von der Europa-Gesellschaft Coudenhove-Kalergi, Generalsekretär Heinz Wimpissinger

Der Wiener Kongress, der in der Hauptstadt des Österreichischen Kaiserreichs vom 18. November 1814 an abgehalten wurde, hat die Landkarte Europas neu gezeichnet, nachdem es 20 Jahre lang durch die französische Revolution und das Kaiserreich Napoleons erschüttert worden war. Persönlichkeiten wie Metternich, Wellington und Talleyrand hatten daran den entscheidenden Anteil.

Das Abschlussdokument, das am 9. Juni 1815, neun Tage vor Waterloo, veröffentlicht wurde, verankerte den Sieg der vier „Großen“: Russland, das Vereinigte Königreich, Preußen und Österreich. Dennoch kann das Werk der Diplomaten als ziemlich ausgewogen in dem Sinn betrachtet werden, als in diesem Text den Wünschen der Besiegten und der kleinen Staaten Platz gewährt wurde, im Bemühen um ein kontinentales Gleichgewicht und den Fortbestand des Friedens, der grosso modo tatsächlich bis 1848 dauerte.


Aber die Verhandler hatten sich nicht um die Wünsche der Völker gekümmert. Die Polen hatten immer noch keinen Staat, während die Italiener und die Deutschen in viele kleine politische Einheiten zersplittert waren. Man hatte sich auch darauf verständigt, dass die Demokratisierungsbestrebungen der Nationen in jedem Land unterdrückt, wenn nicht sogar verboten würden. Auf längere Sicht sollten diese Entscheidungen allerdings schlimme Konsequenzen für die Stabilität Europas haben.
Der Kongress war darüber hinaus auch eine große Gelegenheit der Begegnung für die Eliten Europas, die im Wesentlichen Französisch sprachen, anlässlich von Diners, Bällen und literarischen Salons, mitten in der europäischen Romantik.
Rund um diese umfassenden Treffen wurden viele Fragen behandelt, die heute als das Erbe dieses Kongresses bis in die heutige Zeit betrachtet werden können: die Rolle der Diplomatie in der Bewältigung von Krisen, die Frage der „Selbstbestimmung der Völker“, der Wille, den Krieg zwischen Europäern im Namen von religiösen und philosophischen Prinzipien zu ächten, die Konsequenzen der europäischen Konflikte auf die restliche Welt, das kulturelle Umfeld.
Könnte der Wiener Kongress, Grundstein des modernen Europa oder vergangener Augenblick der europäischen Geschichte, noch eine Quelle von Inspiration für die Europäer von heute sein?
Französischer Vortrag beim Europa-Symposium - Coudenhove-Kalergi, 
Nancy, 30. November 2015

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