SCHULE FÜR ALLE
Österreichs diskriminierendes Schulsystem produziert laut internationalem Vergleich kein höheres Bildungsniveau. Darum gibt es diese Struktur weltweit fast nicht mehr. Die Wirtschaft und Vorarlberg haben moderne Einsichten, doch halten mächtige frühere Bildungsprivilegierte am alten differenzierten Schulaufbau fest. Wie lange dauert es noch bis sich die Bildungsreihe durchsetzt: 4 Jahre Volksschule, 4 Jahre Mittelschule und 4 Jahre Gymnasium. Die Vorarlberger haben nachstehende Begründung dafür geliefert:
Wo die Schule für alle existiert
In Vorarlberg wechseln die meisten Volksschüler in die Neue Mittelschule (NMS).
SCHWARzACH Die besseren Schüler gehen ins Gymnasium, die weniger guten in die Neue Mittelschule (NMS): Wie widersinnig eine solche Verallgemeinerung ist, zeigt ein Bundesländervergleich auf Basis der Daten, die die Statistik Austria für das laufende Schuljahr veröffentlicht hat. Mit 71 Prozent sind in Vorarlberg im vergangenen Herbst die meisten Zehnjährigen nach der Volksschule in die Neue Mittelschule gewechselt. Nur 23 Prozent sind in die AHS-Unterstufe gegangen, alle anderen in die Sonderschule. Besonders in Wien schauen die Verhältnisse ganz anders aus. Dort befindet sich mit 52 Prozent die Mehrheit im Gymnasium, 43 Prozent sind in der Neuen Mittelschule und vier Prozent in einer anderen Schule. Leistungsfähiger sind die Schüler dort jedoch nicht. Im Gegenteil.
„In ländlichen Gebieten ist die Mittelschule die Schule für alle.“
Maßgeblich für die Bildungswegentscheidung sei das Angebot, analysiert Gabriele Böheim, Vizerektorin der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg. Auch hierzulande sei das feststellbar. Allein in Bregenz gebe es vier Gymnasien mit einer Unterstufe. „Es ist daher wenig erstaunlich, dass etwa die Hälfte der Kinder aus den Bregenzer Volksschulen in ein Gymnasium wechseln.“ Im Bregenzerwald gebe es dagegen keine Unterstufe: „Und es pendeln nur etwa zwei Prozent der Kinder nach der Volksschule in ein doch deutlich entferntes Gymnasium“, so Böheim, die auch das Forschungsprojekt zur gemeinsamen Schule leitet.
„In ländlichen Gebieten ist die Mittelschule die Schule für alle“, sagt Wolfgang Türtscher von der Initiative „Pro Gymnasium“. Allerdings nicht überall: In den SPÖ-geführten Bundesländern Kärnten und Burgenland seien unter SPÖ-Bildungsminister Fred Sinowatz (1971 bis 1983) überdurchschnittlich viele höhere Schulen gebaut worden. Das Ergebnis: Zuletzt sind etwa in Kärnten 41 Prozent der Volksschulabsolventen in eine AHS-Unterstufe gewechselt; das sind fast doppelt so viele wie in Vorarlberg.
Migrationshintergrund
In Wien wiederum existieren im bürgerlichen Bezirk Währing allein im Umkreis von ein paar Gehminuten fünf AHS-Unterstufen. Sie ziehen die meisten Kinder an. Auf der anderen Seite lässt sich gerade in der Bundeshauptstadt beobachten, dass zusätzlich zum Angebot der Migrationshintergrund ein Faktor ist: Mehr als 50 Prozent aller Wiener Schüler haben eine fremde Umgangssprache. Und sie besuchen viel eher die Neue Mittelschule. Dort beträgt ihr Anteil immerhin
75 Prozent.
„Aus dem Bregenzerwald pendeln nur zwei Prozent der Kinder in ein Gymnasium.“
Dass die Leistungsfähigkeit bei Weitem nicht allein entscheidend für die Laufbahn ist, lässt sich laut Böheim auch aus den Bildungsstandards ablesen: In Wien sind sie trotz der vielen Gymnasiasten nicht höher. Im Gegenteil, aus der Donaumetropole kommen eher nur unterdurchschnittliche Testergebnisse. Die Anforderungen in Mathematik erfüllt hat dort mit 48 Prozent zuletzt nur eine Minderheit. Bundesweit handelte es sich dagegen um 58 Prozent, in Vorarlberg waren es 59 Prozent.
Böheim sieht auch einen Beleg dafür, dass „Notenwahrheit eine Illusion ist“, wie sie gegenüber den VN erläutert: „Dazu gibt es kiloweise wissenschaftliche Forschungsergebnisse. Das Leistungspotenzial eines Kinder lässt sich nicht in einer Ziffer beschreiben. Konsequenterweise ist es auch unfair, den Bildungsweg der Kinder im Alter von neun bis zehn Jahren von Noten abhängig zu machen.“
Zur Verteilung nach der Volksschule gibt es laut Türtscher eine Faustregel: Wo es weniger AHS-Schüler und mehr NMS-Schüler gibt, seien meist beide Schulen besser. In St. Gallen gehe man davon aus, dass der Anteil der Schüler in der Unterstufe des Gymnasiums 20 Prozent nicht übersteigen sollte, so der 62-Jährige: „Sonst sinkt das Niveau in beiden Schultypen.“
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