CHRISTLICHE SOZIALLEHRE

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hat der jesuitische Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Oswald von Nell-Breuning die katholische
Soziallehre propagiert. Ein österreichischer Schüler ist der gleichfalls zum
Jesuitenorden gehörende Theologieprofessor Johannes Schasching mit der
Forderung, die Politik wirtschaftssachgerecht, menschengerecht und gesellschaftsgerecht zu gestalten.

Im protestantischen Bereich profilierte sich mit ähnlichen sozialen Zielen aber
einem anderen Weg der Volkswirtschaftler Wilhelm Röpke mit seinem
Sozialliberalismus. Diese Lehrmeinungen wurden in der Folge von den
Keynesianern überdeckt. Von regierenden europäischen Sozialdemokraten waren die
Ideen von J.M.Keynes vereinnahmt und für ihre Zwecke angepaßt worden. Als nächste
Etappe folgte ein mehr oder minder ausgeprägter Wirtschaftsliberalismus mit dem
neuen Schlagwort der Reaganomics.

Nachdem unsere gegenwärtige Wirtschafts- und besonders Finanzkrise deutlich zeigt, dass die Finanzierung der europäischen Wohlfahrtsstaaten tolerierbare Grenzen überschritten hat und Einsparungen sowie Rücknahmen überzogener Sozialleistungen unumgänglich sind, wird als Krisenursache weniger die öffentliche Schuldenpolitik als die Politik des sogenannten Neoliberalismus verteufelt.

Um in der Praxis eine klare Unterscheidung zwischen in sozialer Hinsicht problematischem Neoliberalismus - was immer darunter zu verstehen ist - und einer notwendigen
Umgestaltung in unserem modernen Sozialstaat zu erreichen, scheint es
angebracht, sich auf die Schwerpunkte der katholischen Soziallehre zu besinnen
und dabei die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte einzubeziehen.

Ausgangspunkt für die christlichen Soziallehren ist die sittliche Verantwortung des Einzelnen für das Gemeinwohl. Solidarität und Subsidiarität sind zentrale Handlungsmaximen. Die Subsidiarität ist die Ansiedlung von Maßnahmen möglichst nahe beim Individuum oder bei der
kleinstmöglichen Organisationseinheit. Oberstes Prinzip gesellschaftlichen
Handelns soll immer sein, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und der
Menschenwürde gerecht zu werden.

Diese Denkweise öffnet auch unseren Horizont in Richtung einer europäischen und im globalen Sinn internationalen Solidarität. Es soll beitragen, das kleinkarierte Feilschen um regionale und einzelstaatliche Sonderinteressen zu beseitigen.

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