Für mehr Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit in der EU
EUROPÄISCHER
BRIEF DER EG-CK – EUROPA-GESELLSCHAFT COUDENHOVE-KALERGI
Herausgeber: Dr. Heinz Wimpissinger, Generalsekretär
Univ.Prof.emer.
Prälat Monsignore Dr. Anton Kolb
Man
spricht gegenwärtig über viele Krisen, unter denen wir vor allem in
Europa leiden: Die EU-Krise, die Euro-Krise, die Wirtschaftskrise,
die Krise der Religionen und Kirchen, die Politikverdrossenheit.
Haben diese Krisen gemeinsame Ursachen? Können und sollen sie
gemeinsam bekämpft werden?
Die
Feststellung der Krisen allein genügt nicht. Gegenseitige Vorwürfe
und die Aberkennung der Existenzberechtigung helfen kaum weiter. Es
bedarf der Ursachenforschung, der Festlegung und Verfolgung
gemeinsamer Ziele, gemeinsamer Reformen, einer rascheren und
differenzierteren Reaktion auf Krisen, nicht nur in der EU.
Papst
Franziskus hat am 25.11.2014 im Europaparlament und im Europarat die
EU heftig kritisiert. Diese sei „gealtert und erdrückt…, nicht
mehr fruchtbar und lebendig…, verkrümmt“, hätte ihre „großen
Ideale und ihre Anziehungskraft verloren“, betreibe „eine Politik
der Eigeninteressen“.
Sind
dies nicht die eigentlichen und ursprünglichen Ursachen der
genannten Krisen. EU, Politik, Wirtschaft, haben natürlich ihre
Existenzberechtigung. Die Wirtschaft ist zur Hauptsäule der EU
geworden. Insbesondere der Mainstream der Wirtschaftswissenschaften
und damit auch der EU sieht den ganzen Menschen als „homo
oeconomicus“, lässt die Fragen nach Werten, wie nach Gut und Böse
oder nach der Religion außer Acht, schließt letztere sogar aus,
obwohl man selbst verdeckte und versteckte quasi-religiöse
Behauptungen aufstellt. Die Ökonomie konnte nicht einmal die letzte
Wirtschaftskrise voraussagen. Leben, Menschsein, Wirtschaft und
Religion sind keine „Privatsache“.
Bei
all diesen Krisen und Fragen geht es letztlich um das Menschenbild,
um die Anthropologie. Dafür sind insbesondere die Geistes- und
Naturwissenschaften, die Philosophie und die Theologie, die
Interdisziplinarität, die Zusammenarbeit gefragt. Die genannte
Aufgabe können der „homo oeconomicus“, der „homo religiosus“,
der „homo scientificus“, der „homo europeus“ nicht allein
erfüllen, jedenfalls nicht gegeneinander, sondern nur miteinander.
Nur in Zusammenarbeit ist der „homo sapiens“ erreichbar. Die
Verhinderung von Kriegen ist ein hehres Ideal der EU, reicht allein
aber nicht aus. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit müssen das
Ziel der EU, aller anderen Institutionen, aller Personen sein. Nur
das Zusammenleben gewährt und beschert uns das Überleben. Der
Friede untereinander führt zum Frieden in der Welt. Wir müssen das
Gemeinsame, Werte und Standards betonen. Nur wer für Leib, Seele und
Geist eintritt, tritt für den Menschen ein; aber nicht im Sinne
eines Nationalismus.
Dasselbe
gilt für die Religionen. Die (katholische) Kirche, das Christentum
dürfen keinen Exklusivanspruch erheben, auch nicht in der EU. Der
Wert der christlichen Werte wird nicht wertvoller, nicht größer,
wenn man ihn exklusiv oder absolut sieht und setzt. Gegenwärtig geht
es um ein multikulturelles, multireligiöses Bemühen. Wenn sich das
Christentum dafür einsetzt, wird es auch in der EU größere
Bedeutung, größeren Einfluss gewinnen, werden seine europäischen
Wurzeln Früchte tragen.
Krisen
treten insbesondere dann ein, wenn das Vertrauen der Bürger, der
Gläubigen verspielt wird. Das gilt sowohl für die EU, die Politik,
die Wirtschaft, die Kirche, als auch generell. Kontrolle ist gut,
Vertrauen ist besser (mit Ausnahme seitens der EU, Griechenland und
Russland gegenüber). Deshalb bedarf es in der Kirche der „Wende
zur Pastoral“ (Papst Franziskus), in der Politik der Wende zur
Wahrheit, in der Ökonomie der Wende von der Fiskal- zur
Realwirtschaft, generell der Wende zur Wirklichkeit.
Vertrauen,
Dialog, Subsidiarität, Solidarität, Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit,
Verantwortung, Nächstenliebe, Gewissen sind wesentlich menschliche,
religiöse, christliche Kategorien. Damit können auch die Atheisten,
die Agnostiker, die Nichtglaubenden einverstanden sein. Diesen
Tugenden müssen auch die Medien, die vierte Kraft in jedem Land,
verpflichtet sein, die durch die Auswahl und die Art der Darstellung
der Informationen wesentlich zu Wohl und Wehe der Gesellschaft, der
EU, der Menschen beitragen.
Nur die Kooperation und der
gemeinsame Kampf aller gegen die Krisen können und werden zum Erfolg
führen. Du sollst nur das die andern lehren, was du selber hältst
in Ehren. Öffnen wir also die Augen und die Ohren des Herzens und
der Seele! Der Glaube und auch die EU können Heimat und Gemeinschaft
bieten. Es geht um die Verbindung von Wissen und Gewissen, von Bild
und Vorbild, von Lehre und Leben, von „Schuld und Sühne“, von
Natur und Übernatur, von Humanität und Religiosität, von
Menschenrechten und Menschenpflichten. Analog zum Wahlspruch von
Coudenhove-Kalergi
sei auf den berühmten Ausspruch von Augustinus hingewiesen:
„In
necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas.“
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