KEIN SCHWARZER FREITAG - 31. Jänner 2020

Jean-Paul Picaper, Vereinspräsident von Paneuropa Frankreich für die Europa-Gesellschaft Coudenhove-Kalergi Zweimal ertönte englischer Kanonendonner über den Kanal zu unseren Ohren herüber. Ein erstes Mal am Donnerstag, dem 23. Juni 2016, als die Volksabstimmung von David Cameron für den Ausstieg aus der EU entschied. Und wieder am 13. Dezember 2019, einem Freitag, als die von Boris Johnson beschlossene Parlamentswahl eine absolute Brexit-Mehrheit hervorbrachte. Ob die Landung Englands in England weich oder hart wird, sie ist zum 31. Januar fällig. Zum Abschluss des Spektakels der vergangenen drei Jahre zieht Johnson nun den Vorhang zu. Der Brexit bleibt das Werk der Tories. Sie glauben, England gerettet zu haben. Der unpopuläre Labour-Chef Jeremy Corbyn zögerte, sich offen fürs „Maintain“ auszusprechen. Seinen Landsleuten zum Trotz verlangte er eine neue Volksabstimmung. So hat er EU-Willige abgeschreckt und das Brexit-Debakel von Johnson attraktiv gemacht. Dabei hatten sich seine Parteigenossen Tony Blair und Gordon Brown doch mit der EU-Vollmitgliedschaft abgefunden. Im Urlaub in Frankreich zahlte Blair mit Euros. In der Krise von 2008 half sein Nachfolger Brown sachkundig bei der Euro- und Bankenrettung. Alles umsonst. Der ehemalige Journalist Johnson, Anglo-Amerikaner bis 2016, jetzt definitiv Engländer; geht in die Geschichte ein. „England ist eine Insel“, stellte Präsident de Gaulle fest. Keine große Neuigkeit aber ein Vorwand, um sich dem englischen EG-Beitritt zweimal, am 14. Januar 1963 und am 11. Mai 1967, zu widersetzen. Er warf im Dezember 1967 beim EG-Ministerrat sein Veto auf den Tisch. „Eine Insel“ ? Aus seiner Sicht war England ein amerikanischer Flugzeugträger unweit der Seine- und Rhein-Mündung. Erst nach seinem Ableben wurde das UK zusammen mit Dänemark und Irland am 1. Januar 1973 europäisch. Aber nur halb. Die Union Jack-Insulaner schafften es „drinnen und draußen“ zugleich zu sein. Die „Opting out“-Klausel sicherte ihnen jedenfalls die Vorteile Europas ohne die Bürden. Sie waren der EG als Liberale beigetreten. Bis zuletzt wollten sie daraus eine Freihandelszone machen. Von außerhalb war es ihnen nicht gelungen, sie dachten, innerhalb klappt es besser. Wir haben nichts gegen den freien Handel, aber die politische Konsolidierung der EU blieb ihretwegen teilweise auf der Strecke. Trotzdem sind wir nett zu ihnen geblieben. François Mitterrand ließ sogar einen Tunnel nach Großbritannien bohren. Jetzt ist England wieder weitgehend eine echte Insel. Vielleicht wird es doch eines Tages mit anderen Mehrheiten und angesichts der Weltlage den Weg zurück zu Europa finden. Die Iren, die Schotten und ein Teil der englischen Bevölkerung möchten dies bereits. Das Vereinigte Königreich müsste aber dann das EU-Modell akzeptieren und voll und ganz mitmachen. Wir sollen inzwischen dafür sorgen, dass die bestehenden Beziehungen, vor allem in Sache Verteidigung, erhalten bleiben. Der Tunnel unter dem Kanal bleibt offen.

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