EUROPA, DER NATIONASLSTAAT, DIE REGIONEN
Dr. Erhard Busek, österreichischer Vizkanzler a.D., Wien für die Europagesellschaft Coudenhove-Kalergi
Angesichts der Geschehnisse rund um die Corona-Krise wird zunächst die Skepsis gegenüber der Zukunft Europas zunehmen. Die Kommentare, dass der Nationalstaat wieder da ist, dass von Globalisierung nicht mehr die Rede sein kann und der Egoismus der Regierungen uns generell in eine schwierige Perspektive gebracht haben, müssen dringend durch zukunftsorientierte Diskussionen abgelöst werden!
Zunächst einige Klarstellungen: Die Globalisierung wird nicht am Ende sein, sie wird auf eine ganz eigenartige Weise sichtbar. Zunächst durch die Tatsache, dass die Virus-Krise ja eine globale ist und auch globale Assistenzen (von China an Österreich und umgekehrt) stattfinden und auch heute schon anders aussieht, als es vereinfacht dargestellt wird. Das Verhalten der nationalen Regierungen ist mit dem alten primitiven Satz „Ein jeder denkt an sich, nur ich denk an mich!“ auch zu erklären, sicher nicht zu verdammen, aber allein auch nicht zukunftsführend. Es wäre daher dringend zu empfehlen, wieder eine Diskussion zu beginnen, was auf welcher Ebene besser gemacht werden kann. Da hat der Regionalismus eine gewisse Bedeutung, wenngleich auch er nicht allein die Lösung ist, wie man am Tiroler Beispiel (Ischgl und Umgebung) sehen kann. Ganz sicher aber können Kräfte der Regionen mobilisiert werden, wie etwa auch positiv in mancher Bereitschaft registriert werden kann, Flüchtlinge aus Griechenland und von der türkischen Grenze in einzelnen Orten in Österreich aufzunehmen. Damit ist aber auch ein Schlüssel gegeben: wir müssen nüchtern feststellen, was die Regionen leisten können, was noch mehr aktiviert werden kann, wie allerdings aber auch ein Lastenausgleich zwischen den Regionen stattfinden kann. Der österreichische Finanzausgleich im Steuersystem ist gar kein so schlechtes Beispiel!
Die nächste Stufe müsste eine Untersuchung beinhalten, was wirklich noch vom Nationalstaat geleistet werden kann, wobei es durchaus auch hier Zwischenformen geben kann, wie etwa die Zusammenarbeit einzelner Nationalstaaten. Wäre Visegrád nicht durch Viktor Orbán und die polnischen Freunde überschattet, wäre das ein ebenso guter Hinweis, wie die Kooperation von Benelux oder im Ostseeraum.
Eine nähere Definition brauchen auch die europäischen Zuständigkeiten, weil sich auch eines klar herausgestellt hat: wofür die EU zuständig ist, ist heute zu wenig! Es wird ihr mangelnde Wirksamkeit auch bei dieser Krise vorgehalten, wobei man darauf vergisst, dass sie für die meisten Fragen auch gar nicht zuständig ist, was wieder von Nationalstaatsebene verhindert wird, die aber dann darüber Klage führt. Das gilt leider auch für manch österreichische Stellungnahme! Die europäischen Kompetenzen gehören daher nach Notwendigkeiten neu definiert, wobei die kritische Situation von heute ein guter Ansatz dafür ist.
Eine Ebene darf aber nicht vergessen werden: Die Vereinten Nationen und ihre Unterorganisationen haben sich von äußerst bescheidener Wirksamkeit erwiesen. Wenn wir daran denken, dass etwa bei der Ukraine-Krise eigentlich nur die OSZE ein wenig etwas zustande gebracht hat, aber alle anderen wie z.B. auch in der Flüchtlingsfrage versagt haben, weiß man, worum man sich in der Zukunft zu bemühen hat.
Es ist auch ein gewisses Ende der Diplomatie zu verzeichnen, wobei das nicht zu beklagen ist, sondern alles dazu getan werden muss, diese wieder zu entdecken. Die Alternative zur Diplomatie heißt natürlich Krieg, wobei ich bewundere, mit welcher Leichtigkeit verschiedene „Staatenlenker“ heute von Krieg reden. Wieso machen sie das? Strategie kann keine dahinter sein und für eine Erklärungsweise ist es zu einfach, weil wir uns allzu sehr daran gewöhnen, wieder mit Kriegen zu leben. Hat die lange Periode des Friedens dazu geführt, dass wir bei „Kriegserklärungen“ gar nicht mehr so ängstlich sind? Natürlich gibt es heute die verschiedensten Arten von Zoll-, Handels- und Computerkriegen, bis hin zu gezielten Konflikten, die in Wirklichkeit längst Kriegszustände an verschiedenen Punkten unseres Globusses erzeugt haben. Offensichtlich ist die Erinnerung an die zwei großen Weltkriege schon so verblasst, dass wir das eigentlich unaufgeregt zur Kenntnis nehmen.
Der Friede ist aber heute mehr denn je gefragt, denn alles andere hat schrecklichere Folgen, die weit über eine Virus-Krise hinausgehen!
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