GEBURTSSTUNDE EUROPAS VOR 100 JAHREN - PANEUROPA
EUROPÄISCHER BRIEF DER EG-CK – EUROPA-GESELLSCHAFT COUDENHOVE-KALERGI
von Dr. Martin Posselt, Journalist und Historiker, München
Aus diesem Anlass fanden an zahlreichen Plätzen Europas Feiern und Symposien statt, um diese einigende Europa-Idee einer aktualisierenden Prüfung und Würdigung zu unterziehen.
Zusammenfassend sei festgehalten:
Vor hundert Jahren, im November 1922, veröffentlichte Richard Coudenhove-Kalergi den programmatischen Artikel „Paneuropa – ein Vorschlag“. Der junge Autor verfolgte keine kulturpolitischen oder verfassungspolitischen Ziele. Er entwarf Paneuropa als geopolitisches Projekt unter Ausschluss der beiden „eurasischen Weltmächte“ England und Russland. Von Russland ging nach Coudenhoves Überzeugung bleibend Gefahr aus: Es werde auch künftig versuchen, seinen Machtbereich auszudehnen. Dies galt es zu verhindern und stattdessen Deutschland und Mitteleuropa dauerhaft an den Westen zu binden. Paneuropa als gemeinsames, größeres Vaterland der Europäer müsse verhindern, dass Weltmächte ihre Konflikte auf europäischem Boden austragen.
50 Jahre später, als Coudenhove 1972 - halb vergessen - starb, galt sein Denken bei vielen als überholt. In Deutschland regierte erstmals ein sozialdemokratischer Bundeskanzler. Er arbeitete an einer westöstlichen Sicherheitsarchitektur, die auf einer friedlichen Koexistenz mit der Sowjetunion und ihren Vasallenstaaten aufbauen sollte. Europa war ein Gemeinsamer Markt. Der Beitritt Großbritanniens zu diesem Markt mit seinem freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital stand kurz bevor.
Inzwischen sind weitere 50 Jahre vergangen. Das östliche Mitteleuropa hat sich nach einer friedlichen Revolution mit dem Westen vereinigt. Das Vereinigte Königreich ist auf eigenen Wunsch aus der Europäischen Union ausgeschieden. Russland greift Europas Ostflanke mit brutaler Waffengewalt an. Auch heute regiert in Deutschland ein Kanzler der SPD. Bei seiner Rede an der Karls-Universität in Prag am 29. August 2022 bezeichnete er Russland als „neoimperiale Autokratie“ und forderte als Antwort darauf ein „weltpolitikfähiges, geopolitisches Europa“.
Paneuropa ist nach hundert Jahren aktueller denn je.
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