GESCHICHTSDEUTUNGEN für die 1. österreichische Republik 1918 – 1938

Der Übergang von monarchistischen zu republikanischen Verfassungsstrukturen in Österreich führte wie in den meisten anderen Ländern mit ähnlichen Veränderungen zu viel Gewalt und fehlender Kompromissbereitschaft. Dazu kamen Fremdenhass und Antisemitismus in allen Gesellschaftslagern. Die Christlich-Sozialen hatten bei der Ablehnung des Judentums die Kirche als Stütze und suchten Chaos mit autoritären Maßnahmen zu vermeiden. Beim Sozialismus geht ein extremer Antisemitismus schon auf Karl Marx zurück. Ideologisch sahen die Sozialisten die Demokratie als manchmal auch gewaltsamen Weg, aber den Sozialismus als Ziel. Der Nationalsozialismus mit vielen verblendeten Bürgerlichen und einfachen Volksmassen waren vor vornherein zur Gewalt bereit. Nach der Katastrophe des zweiten Weltkrieges funktionierte die Zusammenarbeit der Gesellschaftsgruppen im bekannten österreichischen Sozialpartnermodell weitgehend vorbildhaft. Als Ergebnis haben wir einen in der Geschichte nie gekannten Wohlstand für die breite Bevölkerung. Mit dieser Wohlfahrt, breit gestreuter Bildung und egoistischem Individualismus hat sich in den letzten Jahren immer weniger die Bereitschaft gezeigt, unterschiedliche Gesellschaftsauffassungen zu respektieren und Kompromisse zu finden. Dem Gesellschaftspartner wird nicht guter Wille zugebilligt, sondern Taktik und Lüge unterstellt. Fake-News ist zu einem politischen Modewort geworden. Dabei haben wir seit einem Jahr wieder Krieg in Europa. In Teilen der bekriegten Ukraine existiert noch verbreitet österreichische Kultur. Vielleicht auch deswegen erinnern wir uns wieder an die Gewalt, die 100 Jahre zurück in Österreich herrschte. Und auch in dieser Rückschau zeigt sich wiederum eine verstärkte Unversöhnlichkeit. Diktionen wie Kanzlerdiktatur oder Österreich-Faschismus sind solche Reizwörter. Eine autoritäre Struktur war wohl gegeben. Aber der Kanzler war in Österreich zu keiner Zeit der Allein-Entscheidende, wie es im Falle von Hitler, Stalin oder Mussolini der Fall war. Reden wir lieber bei Problemen mit der Demokratie in der 1. Republik von einer geteilten Schuld der Parteien,. So haben es versöhnliche Historiker formuliert. Appell an Politik und Gesellschaft: Absoluter Verzicht auf Gewalt, sei es physisch, psychisch, in Rede oder in geschriebenem Wort mit Überformulierungen oder extremistischen Gegenpositionen. Unsere demokratische Zukunft benötigt Kompromissbereitschaft und Respekt für unterschiedliche politische Auffassungen. HW März 2023

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