WAS BLIEB VON DER EUROPA-VISION VON RICHARD COUDENHOVE-KALERGI ?
von Dr.Dr.hc. Peter Fischer, Prof.em. Universität Wien für die Europa-Gesellschaft Coudenhove-Kalergi
1923, also vor genau hundert Jahren erschien in Wien von Richard Coudenhove-Kalergi das bahnbrechende Werk über ein Vereintes Europa unter dem Titel „Pan-Europa“. Seine visionäre Idee fand u.a. Eingang in Völkerbund-Debatten und auch die öffentliche Meinung Europas stand ihr weitgehend mit Begeisterung gegenüber. Daher ist die Frage berechtigt, inwieweit seine Visionen in der heutigen EU verwirklicht sind.
Pan-Europa, wie er sein Projekt nannte, kann nicht sofort, sondern muss in vier Schritten im Wege von Staatenkonferenzen geschaffen werden, die sich mit Abrüstung, Schulden- und Währungsfragen, Streitbeilegung durch ein obligatorisches ständiges Schiedsgericht, das militärische Auseinandersetzungen ausschließen sollte, die Schaffung einer Zollunion, die alle 26 Staaten umfassen und auf einer Einheitswährung, dem Dezi (ein Dezigramm Gold) basieren sollte.
Dieses Pan-Europa soll aus einem „Staatenhaus“, in dem alle Mitgliedstaaten, und einem „Völkerhaus“ bestehen, in dem die europäischen Staatsbürger durch 300 Abgeordnete vertreten sind. Alle Sprachen sollten gleichberechtigt sein, doch die englische Sprache, wie er sagte, sollte „als internationale Verkehrssprache verwendet werden“. In der Rechtsform des Pan-Europa änderte er später seine Aussagen: während er in Pan-Europa 1923 noch von einem Bundesstaat ausging, schwächte er 1930 in seinem „Paneuropäischen Pakt“ dieses Konzept zu einem Staatenbund ab mit der „Unberührtheit der vollen Souveränität der europäischen Staaten“. Coudenhove-Kalergi ahnte wohl, das ein geeintes Europa nicht traditionellen internationalen Organisationen entsprechen sollte, aber auch kein Bundesstaat wie die USA sein sollte. Auch hier stimmt seine Vision: die EU ist ein präzedenzloses präföderales Konstrukt, das mit traditionellen internationalen Organisationen (UNO, WTO, Europarat, etc.) wenig gemein hat, denn sie ist heute weitgehend einem Bundesstaat bereits angenähert.
In Beantwortung der eingangs gestellten Frage kann daher gesagt werden, dass sich die Vision von Coudenhove-Kalergi in der EG/EU seit 1951 in der Tat zum Großteil verifiziert hat: als Friedensprojekt, Konferenzen zur weiteren Integration („Jean Monnet-Methode“), Zwei-Kammern System, Einheitswährung, Englisch als Arbeitssprache, Staatenbund besonderer Art, EU basiert auf einer Zollunion, Europatag (17.Mai: Unterbreitung des Konzepts dem Völkerbund durch AM Aristide Briand), Hauptstadt ua. Brüssel, aber auch Wien, und last but not least Beethovens IX. Symphonie als Europahymne. Zu Recht hat Dr. Otto von Habsburg Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi als „Prophet Europas“ bezeichnet.
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