EUROPA IN RICHTUNG EINER UNABHÄNGIGEN MACHT IM 21. Jahrhundert
EUROPÄISCHER BRIEF DER EUROPA GESELLSCHAFT COUDENHOVE-KALERG
von Alain Terrenoire, Präsident von Paneuropa International
Der katastrophale Fall Kabuls am 15. August 2021, gefolgt von der tragischen Auslieferung des afghanischen Volkes an den Staatsterrorismus und radikalsten Islamismus, verstärkte die Abkehr der NATO von den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens. Diese erneute Kapitulation, die von den USA einseitig in Afghanistan beschlossen wurde, wobei wie in Syrien die Versprechungen nicht eingehalten wurden, bestätigte die amerikanische geopolitische Ausrichtung, die sich nun dem Pazifik und Südasien zuwendet.
Vor zwanzig Jahren wurden in New York zum ersten Mal in ihrer Geschichte die Vereinigten Staaten auf ihrem Boden angegriffen und sie reagierten sofort auf diese Herausforderung. Zwanzig Jahre später zieht sich Amerika vom Schlachtfeld zurück, auf dem es sich unter Beteiligung seiner Partner engagiert hatte.
Aber diese Herausforderungen sind nicht verschwunden. Europa muss sich ihnen stellen, weil sie sich in seiner Nähe oder in seinem geografischen Raum befinden.
Es handelt sich insbesondere um Probleme, eröffnet durch nukleare Aufrüstung des Iran, durch zentrifugale Strömungen im Irak, durch iranische und russische Interventionen in Syrien, durch Konflikte im Kaukasus, durch kurdische und israelisch-palästinensische Fragen, durch Zusammenbruch des Libanon, durch die neo-osmanische Türkei, durch Destabilisierung Libyens, durch Rivalitäten zwischen den Maghreb-Staaten und durch islamistischen Terrorismus.
Diese Probleme befeuern in unterschiedlichem Maße eine anarchische Migration in Richtung Europa.
Ebenfalls offenbar sind die Bedrohungen, die Russland seinen westlichen Nachbarn immer wieder aussetzt. 21 Jahre lang wird es von einem Autokraten geführt, der den stalinistischen Imperialismus nostalgisch sieht. So konnte die Europäische Union nur die militärische Besetzung Georgiens und dann der Ukraine beobachten, ohne Russland davon abbringen zu können. Obwohl Armenien europäischer Verbündeter war, stand es angesichts des von der Türkei unterstützten Angriffs auf Berg-Karabach durch Aserbaidschan allein. Auch in Weißrussland, wo der Präsident 27 Jahre die Macht innehat, hat sich der politische und militärische Einfluss Russlands trotz Formaldemokratie und einer unerbittlichen Unterdrückung der Opposition neu angesiedelt.
Angesichts dieser Bedrohungen in Europas Nachbarschaft gibt es auch weitere Herausforderungen in anderer Form, die von China ausgehen. Letzteres hat sich in wenigen Jahrzehnten vom „Entwicklungsland“ zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt entwickelt. Angeführt von einer totalitären kommunistischen Partei, die sich auf staatliche Freiwilligkeit, eine gebildete, fleißige und disziplinierte Bevölkerung sowie auf Wirtschafts-, Sozial- und Umweltdumping stützt, ist das ehemalige Reich der Mitte in die Weltwirtschaft eingedrungen. China ist auch zu einer Militär- und Weltraummacht geworden, die verschiedene Güter beherrscht oder kontrolliert, die für ihre Kunden und globalen Verbraucher sowie für unsere industriellen und technologischen Bedürfnisse unerlässlich sind.
Die verspätete Erkenntnis des Ernstes dieser Situation hat für die Amerikaner wie für die Europäer schwerwiegende Folgen. Für die Vereinigten Staaten haben diese Folgen zu einem Rückzug in ihre grundlegenden wirtschaftlichen Interessen geführt, mit einem neuen geopolitischen Ansatz und ihrer Neuausrichtung auf Asien und Ozeanien, wo sie auch feste Verbündete haben. Diese Wettbewerbsrivalität zwischen den USA und China wird ihre strategische Neuausrichtung akzentuieren. Daher liegen die Prioritäten der USA nicht mehr wie seit 1945 im Nordatlantik, in Europa und im Nahen Osten. Hat sich Europa darauf vorbereitet. Europa muss politisch gewillt sein sich selbst zu verteidigen und seine Unabhängigkeit zu garantieren. Dies muss von kollektiven Investitionen in Innovation, Forschung, Biotechnologie, künstliche Intelligenz, kohlenstofffreie Energieautonomie, Souveränität, Digitales, Gesundheit und Ernährung begleitet werden.
Unter Beachtung der Auflagen des Pariser Klimaabkommens wird die Europäische Union von allen ihren Handelspartnern Gegenseitigkeit fordern müssen.
Auf dem von Coudenhove-Kalergi eingeschlagenen Weg ist es den Europäern in einer historischen Revolution gelungen, ein gemeinsames Haus zu bauen. Aber seine Mauern sind noch fragil und es wäre eine Illusion sich vorzustellen, dass die Konflikte der Vergangenheit endgültig vorbei sind.Wir Paneuropäer, Verfechter einer vertieften Union, sind die Führer der Unabhängigkeit eines europäischen Europas.
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